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Bild: © Trinkwasserinitiative

Die Bedeutung von Volksinitiativen für den Gewässerschutz

22. März 2021

Ohne Volksinitiativen, ohne Druck der Bevölkerung kein Gewässerschutz? Nein, so einfach ist die Rechnung wohl nicht. Trotzdem: Eine Volksinitiative im Jahr 1967 hat zum Erlass des zweiten Gewässerschutzgesetzes auf Bundesebene von 1971 geführt.

Eine weitere Initiative «Zur Rettung unserer Gewässer » war Anlass zum dritten Gewässerschutzgesetz von 1991. Und die später zurückgezogene Initiative «Lebendiges Wasser» veranlasste die Erarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags und damit die Teilrevision des Gewässerschutzgesetzes von 2011.

Diese wichtigen Initiativen zeigen, dass der politische Druck der Bevölkerung zum Ziel führen kann. Sie zeigen aber auch – und dies scheint mir für den Erfolg der Initiativen wesentlich zu sein – die hohe Sensitivität der Menschen für das Thema Wasser und den Gewässerschutz. Eindrücklich ist ja nicht nur die Zahl der bisher erfolgreichen Initiativen, sondern auch die Zahl der Unterschriften: 179'000 Unterschriften erreichte die von Kreisen des Umweltschutzes und der Fischerei lancierte Initiative «zur Rettung unserer Gewässer»; mit über 160'000 Unterschriften wurde die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» 2006 vom Schweizerischen Fischereiverband eingereicht. Offensichtlich war eine grosse Bewegung in der Bevölkerung notwendig, um den so wichtigen Gewässerschutz voran zu treiben.

Wasser mobilisiert

«Wasser ist Leben» oder «die Schweiz als Wasserschloss»: Jedes Kind wächst mit diesen Aussagen auf und wird spätestens in der Schule mit lehrreichen Informationen dazu eingedeckt. Wir entdecken von klein auf den Spass im und ums Wasser, Bäche laden zu Abenteuer und zum Plantschen ein. Später vermitteln uns Flüsse und Seen eine Identifikation mit einer Region, wecken ein «Heimatgefühl» oder wir verbinden mit ihnen Erholung, Wohlbefinden, Gesundheit. Schliesslich sind wir auf sauberes Wasser angewiesen und deshalb auch bereit, uns für die Gewässer und deren Qualität einzusetzen. Themen rund um den Gewässerschutz sprechen die Bevölkerung an und haben ein hohes Mobilisierungspotential. Dies belegen auch die jüngsten Initiativen zum Wasser, die Trinkwasser- und Pestizidinitiative. Doch auch für die Biodiversitätsoder die Landschaftsinitiative und schliesslich die Gletscher-Initiative konnten in relativ kurzer Zeit die nötige Anzahl Unterschriften gesammelt werden. Diese letzten Initiativerfolge zeigen überdeutlich, dass uns nicht nur die mit dem Wasser verbundenen Lebensgefühle motivieren, sondern dass sich die Menschen über den Zustand der Lebensgrundlagen in der Schweiz sorgen. Die zunehmende Belastung der Fliessgewässer und des Grundwassers durch Pestizide, das dramatische Insektensterben, der Verlust der Artenvielfalt oder die Klimakrise versetzen viele Menschen in Alarmbereitschaft. Die Klimabewegung, die in den vergangenen Jahren rasch breite Zustimmung und Unterstützung gewonnen hat, ist ein weiterer Gradmesser dafür, wie vielen Menschen nicht egal ist, wie wir mit unserer Umwelt umgehen.

Mächtige Lobbygruppen bremsen

Doch weshalb geht es im Natur- und Umweltschutz so langsam vorwärts? Weshalb sind gegen die Klimakrise nicht schon längst griffige Massnahmen beschlossen worden? Sogar über das CO2- Gesetz steht uns ja noch eine Referendumsabstimmung bevor. Die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative werden bereits seit Monaten bekämpft, sogar die Bemühungen um einen Gegenvorschlag blieben erfolglos. Mächtige Lobbygruppen wie die Agrarindustrie, der Bauernverband, Energie- oder Wasserkraftverbände erschweren den politischen Prozess – leider gerade in den Bereichen, in denen die Bevölkerung ihre grosse Betroffenheit manifestiert. Lobbyorganisationen machen über zahlreiche Interessenvertreterinnen und -vertreter im Parlament ihren Einfluss geltend, verlangsamen die Behandlung von Erlassen und erreichen oftmals, dass sogar schon beschlossene Gesetze nur zögerlich umgesetzt werden. Ein Beispiel für die (zu) langsame Umsetzung ist die Festlegung des Gewässerraums: Übrigens ein entscheidendes Element im Gegenvorschlag zur Initiative «Lebendiges Wasser», der zu deren Rückzug führte. Ausreichend gross bemessene Gewässerräume ermöglichen eine naturnahe Revitalisierung, Hochwasserschutzmassnahmen, letztlich einen besseren Gewässerschutz und eine erhöhte Biodiversität durch geringeren Eintrag von Pestiziden. Im Parlament gab es nach Verabschiedung der gesetzlichen Grundlagen jedoch verschiedene Vorstösse, die einen möglichst grossen Spielraum namentlich zugunsten der landwirtschaftlichen Nutzung forderten. Es kam zu weiteren Anpassungen der Gewässerschutzverordnung. Die Umsetzung lässt auf sich warten. Bis 2018 hätte der Gewässerraum zumindest behördenverbindlich festgelegt werden sollen. Per Ende 2019 war in über 60 Prozent der Gemeinden die Gewässerfestlegung noch in Arbeit oder noch nicht einmal begonnen.

Zwei Mal Ja für sauberes Wasser!

Bei den Abstimmungen am 13. Juni 2021 über die Trinkwasser- und Pestizidinitiative hat die Bevölkerung wiederum Gelegenheit, ihrer grossen Sorge um den Zustand der Gewässer und des Trinkwassers Ausdruck zu verleihen. Beide Initiativen haben den Einsatz von Pestiziden in der Schweizer Landwirtschaft zum Gegenstand beziehungsweise deren Reduktion zum Ziel; beide wurden von politisch unabhängigen Personen aus der Zivilgesellschaft lanciert; beide haben in den vergangenen Jahren den Finger auf einen wunden Punkt der Landwirtschaftspolitik gehalten und zeigen einen Weg zu einer ökologischeren Schweizer Landwirtschaft; und beide sind Zeugnis der grossen Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber der Belastung der ober- und unterirdischen Gewässer mit Pestiziden und Nährstoffen. Ich sage zu beiden Initiativen Ja und rufe Sie dazu auf, gleiches zu tun. Machen wir einmal mehr durch eine grosse Bevölkerungsbewegung sichtbar, dass zugunsten von sauberem Trinkwasser, unbelasteten Gewässern und Lebensräumen heute gehandelt, heute die nötigen Schritte ergriffen werden müssen. 


ein Artikel von Ursula Schneider Schüttel, Nationalrätin (SP) & Präsidentin Pro Natura

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