Bild: © Lou Goetzmann / Aqua Viva
Biodiversitätsschädigende Subventionen
Biodiversitätsschädigende Subventionen
Um unsere Gewässer steht es schlecht: Sie wurden in den letzten 150 Jahren für Hochwasserschutz und Kulturlandgewinn eingeengt, verkürzt und monotonisiert. Vielerorts werden sie intensiv zur Energiegewinnung genutzt. Und trotz Fortschritten im Gewässerschutz sind sie auch heute noch durch zahlreiche Schadstoffe belastet wie Pestizide oder Nährstoffe aus der Landwirtschaft. Ein wichtiger Grund dafür ist die Vielzahl von Subventionen und finanziellen Fehlanreizen der öffentlichen Hand, die der Biodiversität schaden.
von Lena Gubler & Sascha Ismail
«In der Schweiz gibt es mehr als 160 Subventionen mit biodiversitätsschädigender Wirkung. Die Reparaturkosten für diese Schäden übernimmt oftmals wiederum die öffentliche Hand.»
Lena Gubler, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL
Biodiversitätsschädigende Subventionen vergünstigen die Produktion oder den Konsum und erhöhen damit den Verbrauch natürlicher Ressourcen. Sie führen zu Verschmutzung, Störung sowie zum Verlust von Lebensräumen und darin lebender Arten sowie ihrer Vielfalt (Valsecchi 2009). Eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und der Akademie der Naturwissenschaften hat 2020 über 160 dieser Subventionen identifiziert und beschrieben (Gubler et al. 2020). Die Subventionen stammen aus acht verschiedenen Bereichen. Im Folgenden wird exemplarisch aufgezeigt, wie mit Subventionen politische Ziele verfolgt werden, die der Gewässerbiodiversität schaden.
Wandel im Hochwasserschutz
Seit den 1980er Jahren hat im Hochwasserschutz ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Den Gewässern wird wieder mehr Platz eingeräumt. Hierzu wurde 2011 die Festlegung des Gewässerraumes im Gewässerschutzgesetz verankert. Dementsprechend müssen die Kantone einen minimalen Gewässerraum ausscheiden, der nur extensiv bewirtschaftet werden darf und sowohl dem Hochwasserschutz als auch der ökologischen Vernetzung dienen soll. Mit der aktuellen Teilrevision des Wasserbaugesetzes wird zudem das integrale Risikomanagement im Hochwasserschutz verankert und soll wo möglich raumplanerisch gelöst werden. Dieser Ansatz erlaubt beispielsweise Hochwasserschutzgelder für die Verlegung unbewohnter Bauten im Überschwemmungsbereich einzusetzen (statt – wie andernorts – Dämme zu erhöhen und damit die Quervernetzung zu unterbinden). Doch der nötigen Wiederausdehnung der Gewässerräume stehen starke Interessen der Nahrungsmittelproduktion aber auch der Siedlungsdruck entgegen.
Agrarsubventionen
Diese Interessen werden unter anderem gestützt mit einer Palette an Subventionen. So stehen Flächenbeiträge auf landwirtschaftlich genutzte Flächen in den natürlichen Überschwemmungsbereichen von Fliessgewässern, wie beispielsweise die Versorgungssicherheitsbeiträge, einer Ausweitung des Gewässerraumes oder der Öffnung eingedolter Gewässer im Wege. Staatliche Beiträge zur Futtermittel- und Fleischproduktion und zu deren Absatz stützen die hohen Tierbestände und die damit verbundenen Nährstoffüberschüsse, welche die Gewässer belasten. Die Trinkwasserinitiative, welche sämtliche Direktzahlungen an Auflagen zur nachhaltigen Bewirtschaftung koppeln wollte, wurde 2021 vom Stimmvolk abgelehnt. Doch an der offensichtlichen Doppelzahlung, wie sie im Falle von biodiversitätsschädigenden Subventionen oft auftritt und in der Landwirtschaft exemplarisch ist, stören sich immer grössere Teile der Gesellschaft. Die stark subventionierte intensive Landwirtschaft verursacht Schäden (beispielsweise die Überdüngung gewisser Mittellandseen), deren Reparatur wiederum von der öffentlichen Hand berappt werden muss (wie die bereits Jahrzehnte andauernde Belüftung und Sanierung dieser Seen). Die Landwirtschaft kennt aber nicht nur Subventionen, die der Gewässerbiodiversität schaden, sondern auch solche, die ihr zugutekommen. So sind in der landwirtschaftlichen Strukturverbesserung explizit Gelder für den «naturnahen Rückbau von Kleingewässern » (also für Ausdolungen oder den Rückbau von Verbauungen) vorgesehen. Diese sollten noch besser bekannt und stärker genutzt werden.
Wasserkraft: Subventionierter Ausbau auf Kosten der Gewässer
Die aktuelle Möglichkeit einer unzureichenden Stromversorgung und die sehr hohen Preise haben das Verständnis einer sicheren Stromversorgung stark verändert. Bisher bedeutete eine sichere Stromversorgung, dass die Schweiz im Sommer Strom exportieren und im Winter genügend importieren kann. Nun will die Schweiz auch im Winter selbst genügend Strom produzieren. Dies gibt – wie die letzte Parlamentsdebatte zeigte – dem Ausbau der erneuerbaren Energien einen enormen Schub, so auch der Wasserkraft. Bereits im Vorfeld wurde beispielsweise die Untergrenze von förderwürdigen Kleinwasserkraftanlagen nach unten angepasst, so dass künftig auch kleine Anlagen von <300 kWh Investitionsbeiträge erhalten sollen, falls diese ökologisch saniert sind (gemäss teilrevidierter Energieförderungsverordnung in Vernehmlassung). Bei kleinen Ausleitkraftwerken ist es fraglich, ob eine ökologische Sanierung und die Einhaltung der Restwassermengen zu rentablen Gestehungskosten überhaupt möglich sind oder ob die Steuergelder nicht anderswo sinnvoller eingesetzt würden. Denn auch kleine Wasserkraftanlagen zerstückeln das Gewässer in Stauabschnitte, verändern die Sedimentdynamik und sind Wanderhindernisse.
Wie weiter?
Dass Handlungsbedarf beim Abbau biodiversitätsschädigender Subventionen besteht, hat die Studie der WSL und der SCNAT gezeigt. Das hat auch die Politik anerkannt. Der Bundesrat hat diesen Sommer verschiedenen Bundesämtern den Auftrag erteilt, acht Subventionen auf ihre Biodiversitätswirkung zu prüfen und Reformvorschläge zur Minderung ihrer biodiversitätsschädigenden Wirkung zu formulieren. Acht der 160 Subventionen werden nun also genauer unter die Lupe genommen, darunter auch die Versorgungssicherheitsbeiträge für die Landwirtschaft, die Strukturverbesserungsbeiträge oder die Absatzförderung. Die Energieproduktion, der Verkehr oder die Abwasserentsorgung wären weitere Bereiche, denen eine solche Untersuchung guttäte.
Lena Gubler
hat an der Uni Bern Geographie und Geschichte studiert, war an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL tätig und forscht seit 2015 an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL an der Schnittstelle von Umwelt und Gesellschaft.
Sascha Ismail
Dr., arbeitet seit 2018 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forum Biodiversität Schweiz und unterrichtet an der Ostschweizer Fachhochschule beim Institut für Landschaft und Freiraum. Vorher hat er 10 Jahre vor allem in der Naturschutzökologie geforscht.